Kochen wie ein Waldschrat

Waldeslust

Der Mond lugt durch die Wipfel der hohen Kiefern. Er sieht die Elfe Hedwig noch zu später Stunde aus ihrem Hollerbusch aufsteigen und zur Lichtung fliegen, wo das alte Haus vom Waldschrat Erwin Niedermörtel steht. Dort brennt in der Küche Licht und der Mond bemerkt, wie Erwin eine Flasche Rotwein entkorkt und zwei Gläser auf den Tisch stellt. Die Tür ist nur angelehnt und so kann die Elfe direkt in die Küche fliegen.

»Zu so später Stunde rufst du mich noch an? Warum bist du so durch den Wind, he?«

»Du kennst doch die Suse, die, die hinter'm Bahngleis wohnt, Hedwig. Stell dir vor, der Hein wollte sich an sie ranmachen - ich habe das gerade noch verhindern können. Da schreibe ich unverrichteter Dinge Verse, aber der hat einen Mixer. Der kann nicht mal kochen, mixt aber mit diesem Dingens ein Gebräu zusammen und lädt sich bei der Suse ein. Er wollte sie abfüllen, stell dir das mal vor!«

Die Elfe kann sich ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Sie hebt ihr Rotweinglas in Richtung Erwin und nimmt erst einmal einen tiefen Schluck. »Wie hinterhältig. Und nun willst du dir auch einen Mixer zulegen, was? Hast du keine eigenen Ideen? Koche ihr doch mal was Feines und lade sie zum Essen ein. Ich denke, nach einigen Gläsern Rotwein findest du auch den Mut, ihr einmal deine Verse vorzutragen.«
»Ich und kochen? Ja, Pellkartoffeln mit Setzei, oder was? 'Ne Wurststulle und Käsehäppchen? Feines Menü! Da macht die Suse doch gleich kehrt und klopft auf dem Rückweg beim Hein an die Tür. Nee, das ist keine gute Idee. »

Die Elfe steht ruckartig auf, geht um den Tisch herum zur Kochmaschine und klatscht mit der Hand auf die kalte Herdplatte. »Sage mal ehrlich, wann du das letzte mal hier drauf etwas vernünftiges gekocht hast, außer Wasser für Tee oder Kaffee. Ach ja, Pellkartoffeln und Setzeier gebraten.« Etwas sauer geworden hebt die Elfe ab und fliegt durch die Tür nach draußen. Vor dem Holzbackofen angekommen, reißt sie die Backofentür auf und schaut hinein. Dunkel ist es da drin und sie leuchtet mit ihrem Elfenstab hinein.
»Wie lange hast du hier drin kein Brot und keinen Kuchen gebacken, he?«
Sie geht um den Backofen herum zum Räucherschrank, der neben dem Holzschuppen steht.
»Und geräuchert hast du auch ewig nicht, ist ja alles voller Spinnweben hier drin. Also, du hast hier alle Möglichkeiten, etwas vernünftiges auf den Tisch zu bringen, aber was machst du? Nix! Nix machst du, du Trollo. Aber hängst mir in den Ohren wegen der Suse. Also, das wird jetzt alles wieder aktiviert und ich helfe dir ein wenig beim kochen. Und jetzt brauche ich noch ein Glas Rotwein.«
Beide sitzen wieder in der Küche am Tisch. Erwin hat rote Backen und ist ganz aufgeregt. Mit zitternder Hand füllt er die Gläser.
»Du hast ja recht, Hedwig. Ich schlinge fast immer das gleiche in mich rein. Früher ...«
»Ach früher«, unterbricht ihn die Elfe. »Ja, ich weiß, du hast allerlei gebruzzelt hier. Deswegen ist es ja schade, dass du dich im Alter hängen läßt. Aber nächste Woche geht es wieder los, bis dahin machst du alles sauber und fit, verstanden?«
Erwin nickt beflissentlich und putzt sich mit einem karierten Leinentaschentuch die Nase. Der Mond ist etwas heller geworden und steht jetzt direkt über den Wipfeln. Da zeigt Hedwig mit ausgestrecktem Arm zum Fenster: »Wenn der gelbe Geselle dort oben bei mir kochen gelernt hat, dann kannst du deine Kochkünste auch wieder reaktivieren. Der Mond hatte ja keinerlei Vorkenntnisse, er konnte nur Caipirinha mixen.«
»Was? Der Mond kann kochen? Hat der etwa auch eine Freundin? Und wie bist du da hoch gekommen? Willst du mich verarschen?«
»Tja, Erwin. Wer nur immer in seiner Klabuchte hockt, bekommt natürlich nicht viel mit. Natürlich hat der Mond eine Geliebte, aber das ist eine andere Geschichte. Ich muß jetzt ins Bett, bis nächsten Sonnabend also.«
Als Erwin zur Besinnung kommt, erinnert ihn nur das leere Rotweinglas an den Besuch der Elfe.

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