Der Mond im Schlafrock

Weihnachtsmond

Erwin sitzt in seiner Hütte, trinkt ein, zwei, drei Glühwein nach seinem eigenen Spezialrezept auf den 4. Advent und zieht sich dann seine Stiefel an. Es ist warm draußen, trotzdem hat er einen Tropfen an der Nase. Stur stapft er durch das fahle Mondlicht durch den Tann bis zur Schonung, wo ein feines Tännlein mit einer blauen Schleife dran auf ihn wartet. »Markiert und sofort wieder gefunden«, brabbelt er vor sich hin.
»Ha! Und ich habe mich gefragt, wer hier wohl der Blauschleifenmann sein könnte«, tönt es hinter der Tanne mit sonorer Stimme.
Der Weihnachtsmann, schießt es Erwin durch die Glühweinrübe. Nur hat der Weihnachtsmann keinen roten Mantel an, sondern einen grünen, keine Weihnachtsmannmütze auf, sondern ein Hütlein mit einem Gemsbart und auf den Schulterklappen seines Kostüms glitzern drei Eicheln im Mondeslicht.
»Was suchen Sie denn hier, Bürger Lars Friedrich, hä?« fragt der falsche Weihnachtsmann und schielt lüstern zu Erwin's Fuchsschwanz, als ob es ein Fläschlein Pitu wäre.
Galant antwortet Erwin: "Erstens heiße ich nicht Lars Friedrich, du falscher Weihnachtsmann, sondern Erwin Niedermörtel, und zweitens hole ich mir hier meinen jährlichen grünen Anteil am Weihnachtsschmuck, denn die Konsummarken habt ihr ja abgeschafft.«
»Das«, sagt der grünliche Weihnachtsmann und geht dabei leicht in die Kniee, wobei seine Hände elegant zu seinem über der Brust gekreuzten Patronengurt fahren und lässig zwei braune Schrotpatronen der Marke Underberg Magnum blank ziehen, »kostet, Bürger Lars Friedrich - denn so heißen alle bei mir, die blaue Schleifen bei Tageslicht an die Tännlein binden und dann bei Mondschein wiederkehren - eine standrechtliche Zerschießung.«
»Her mit der Bohne«, schreit Erwin und es klirrt leise im mondgelb beschienenen Tann und die erste Salve verhallt im aufkommenden Abendnebel. Es folgen noch elf Salven an der Zahl und dann wird Erwin entlassen. Die drei Eicheln des grünen Weihnachtsmannes hinterlassen im Mondschein einen Lichtertanz wie liebestrunkene Glühwürmchen und Erwin schleift auf dem letzten Stück Wegs den Baum hinter sich her, weil er ihn nicht mehr tragen kann.
Andern Tags steht ein hübscher kleiner Weihnachtsbaum in der alten Milchkanne vor Erwins Hütte und das Fest kann nun kommen.

© Christian Koch

(vom 20.12.2015, 17:39 Uhr)

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